Februar-Andacht
„Der Schwebende“ ist eine Bronzeskulptur des Künstlers Ernst Barlach, dessen 150. Geburtstag kürzlich gefeiert wurde. Ein Engel soll der Schwebende sein: das sieht man nicht unbedingt auf den ersten Blick. Flügel hat er überhaupt keine. Ganz waagrecht hängt er im Kirchenraum, die Arme vor der Brust, den Kopf leicht angehoben, als wüsste er genau, in welche Richtung er will.
Fest verschlossen der Mund, der doch eigentlich Gottes Nachrichten übermitteln soll. Fest verschlossen die Augen, die doch eigentlich achtgeben sollten. Da ist er, aber nicht für mich. Ernst Barlach erzählt mir mit seinem sonderbaren Engel etwas von Gottes Verborgenheit in unserer Welt.
Der Prophet Jeremia hat dieser Erfahrung Worte gegeben: Vor mehr als 2.600 Jahren. In einer völlig anderen Zeit, in einer völlig anderen Kultur, aber mit einer Glaubensfrage, die sich durch die Jahrtausende kaum wandelt. Den Menschen des Volkes Israel scheint ihr Gott als Retter und Fürsprecher irgendwie abhandengekommen zu sein. Und das, wo sie Gott gerade bräuchten.
„Wenn unsere Sünden gegen uns aussagen, HERR, so handle um deines Namens willen gnädig an uns! Denn zahlreich sind unsere Treulosigkeiten; gegen dich haben wir gesündigt. Du Hoffnung Israels, sein Retter in der Zeit der Bedrängnis, warum willst du wie ein Fremdling im Land sein und wie ein Wanderer, der ⟨nur⟩ zum Übernachten eingekehrt ist? Warum willst du wie ein erschrockener Mann sein, wie ein Held, der nicht zu retten vermag? Du bist doch in unserer Mitte, HERR, und über uns ist dein Name ausgerufen. Verlass uns nicht!
Zwischen Weihnachten und Ostern ist so ein biblischer Text scheinbar eine Vollbremsung in Sachen Offenbarung Gottes. Krieg – Leid – Trauer -: Gott: Warum? Warum spüren wir nichts von Deiner Kraft? Gerade jetzt müsste sich doch einmal auszahlen, dass ich an Dich glaube. Liegt es an mir? Hat Gott zur Strafe aufgehört, sich liebevoll um mich zu sorgen? So einsam fühlt sich Leben also an, wenn Gott mir nicht strahlend ins Gesicht lacht, sondern sich abwendet. Warum? Die Antwort hält Gott verborgen. Barlach selbst schreibt: „Gott ist nicht überall. Er verbirgt sich hinter allem, und in allem sind schmale Spalten, durch die er scheint, scheint und blitzt. Ganz dünne feine Spalten, so dünn, dass man sie nicht wiederfindet, wenn man nur einmal den Kopf wendet.“
Aber wir ringen mit Gott: „Ich glaube, Du bist da.“ Gott verbirgt sich, aber Gott hört nicht auf da zu sein. Und ich muss nicht aufhören ihn zu suchen. Gott hält es nicht aus, immer verborgen zu sein. Und so kann ich durch die Spalten etwas aufblitzen sehen von Gottes Liebe.